„Prima, Hannes! – Super, das machst du gaaaaaaanz toll!“ Oft reagieren wir als Eltern fast reflexartig auf alles, was unser Kind so tut. Lob soll motivieren und zu guten Leistungen anspornen. Deshalb wird es von vielen Eltern übermäßig verteilt. Aber Vorsicht: Zu viel Lob und vor allem falsches Lob kann Kinder demotivieren, verunsichern und unter Druck setzen.
Aber sagt man nicht „Wer sein Kind liebt, der lobt es.“? Ja schon… aber eben richtig! Lange Zeit galt Lob in unserer Gesellschaft als der Dünger, der die Psyche eines Kindes erst richtig zum Erblühen bringt. Doch ist es das wirklich? Das Kind den Tag über immer wieder zu loben ist eine großartige Möglichkeit, wünschenswertes Verhalten zu fördern. Im Lob liegt jedoch auch ein gewisses Risiko wenn es falsch gehandhabt wird. Was nicht heißt, dass man auf Lob ganz verzichten sollten. Natürlich brauchen Kinder Anerkennung und Unterstützung. Die entscheidende Frage lautet daher: Wie lobe ich richtig?
1. Ausgewogen loben und das Lob dosieren
Stell dir das Lob als leckeren Auflauf vor, den du deinem Kind servierst: Er enthält viele einfache Nudeln (ruhige Aufmerksamkeit) und eine große Tasse würziger Soße (mildes Lob und Ermutigung). Zum Schluss wird aromatischer Käse darüber gestreut (enthusiastisches Lob). Kinder brauchen ausgewogenes Lob. Kinder von Eltern, die ständig überschwänglich loben („Du bist der Beste auf der ganzen Welt“), werden am Ende entweder mißtrauisch gegenüber jeder Form von Lob oder brauchen zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls ständigen Beifall. – Dr Harvey Karp – Das glücklichste Kleinkind der Welt – Wie Sie Ihr Kind liebevoll durch die Trotzphase begleiten
Je öfter man sein Kind lobt, desto besser? Falsch! Wenn Anerkennung für ein Kind zur Dauerberieselung wird, nimmt es sie gar nicht mehr wahr. Ein seltenes, aber ernst gemeintes Lob dagegen gibt ihm das Gefühl, dass man sich ernsthaft mit seiner Leistung beschäftigt hat. Auch mit der Art des Lobs sollten man eher zurückhaltend sein. Statt „Das ist aber sehr, sehr, sehr toll, dass du dem Jungen dein Laufrad geliehen hast“ reichen auch weniger Worte oder sogar nur ein einfaches Lächeln.
2. Ehrlich sein
Kinder haben feine Antennen. Übertriebene oder offensichtlich manipulative Anerkennung bemerken sie sofort. Lobeshymnen über jedes gemalte Bild nimmt ein Kind einem irgendwann nicht mehr ab. Vor allem dann nicht, wenn man jedes Mal so tut, als hätte das Kind eine großartige Leistung vollbracht, während es die Sache tatsächlich mit links bewältigt hat.
Auch Aussagen wie „Toll, wie du heute die Küche aufgeräumt hast“ erkennt ein Kind leicht als das, was sie sind: Versuche, es zu etwas zu bewegen, was es tun soll. Statt zu dem erwünschten Verhalten führt diese Art Lob zu Unsicherheit und Trotz.
3. Lobe das gewünschte Verhalten, nicht das Kind – Lobe Leistungen, keine Eigenschaften
Wenn du beim Abwasch hilfst, würdest du dann lieber hören wollen „Danke fürs Töpfe schrubben, das war wirklich eine Hilfe“ oder „Du bist mein allerbester Helfer!“? Dr Harvey Karp empfiehlt die erste Formulierung, denn „Du bist mein allerbester Helfer!“ mag an einem Tag zutreffen, am nächsten aber nicht mehr (wenn das Kind keine Lust hat zu helfen). Deswegen entspricht die Aussage „Danke fürs Töpfe schrubben, das war wirklich eine Hilfe“ hundertprozentig der Wahrheit und betont genau das gewünschte Verhalten.
Teile deinem Kind mit, dass dir sein Verhalten gefällt, indem du im Laufe des Tages eine ausgewogene Mischung aus Beifall, Komplimenten und viel sanfter Zustimmung zukommen lässt.
Gut gemeinte Sätze wie „Du bist ein super Fußballspieler“ oder „Wie schlau du bist!“ können Kinder leicht demotivieren. Zweifelt ein Kind ohnehin schon an sich selbst, kann diese Strategie die Selbstzweifel sogar noch verstärken. Das Kind bekommt so den Eindruck, dass es mit Talenten und Defiziten ausgestattet ist, an denen es nichts ändern kann. Wird es dagegen für seine Anstrengung gelobt, hat es das Gefühl, etwas bewirken zu können, wenn es sich anstrengt.
4. Lobe dem Alter des Kindes entsprechend
Kleine Kinder reagieren anders auf Lob und Kritik als Teenager oder Erwachsene. Je älter ein Kind wird, desto weniger bezieht es seine Motivation und sein Selbstwertgefühl aus dem Lob der Eltern. Stattdessen werden die eigenen täglichen Erfahrungen immer wichtiger.
5. Lobe ein selbstbewusstes Kind anders als ein unsicheres
Ein Kind mit einem geringen Selbstwertgefühl muss man besonders oft loben? Falsch! Studien haben bewiesen, dass selbstsichere Kinder mit Lob besser umgehen können als unsichere. Während starke Persönlichkeiten von Lob eher angespornt werden, empfinden unsichere Kinder zu viel Anerkennung als peinlich. Weiteren Herausforderungen gehen sie danach lieber aus dem Weg.
6. Vergleiche ein Kind nicht mit einem anderen
„Wow, du kannst ja viel schneller laufen als dein großer Bruder!“ Statt ein Kind zu ermutigen, fördert dieses Lob nur unerwünschtes Konkurrenzdenken. Der bessere Läufer wird zukünftig weiter versuchen, den großen Bruder zu übertrumpfen. Schließlich bekommt er dafür ja Anerkennung. Der Große dagegen fühlt sich durch den Ehrgeiz des Kleinen unter Druck gesetzt.
7. Lobe gute Versuche und den Lösungsweg, nicht nur das Ergebnis
Lobe dein Kind dafür, dass es etwas versucht, auch wenn es ihm nicht vollends gelingt. („Das war ein ganz guter Versuch, die Milch einzugießen.“) So kann man beobachten, wie es ständig Fortschritte macht und das Kind fühlt sich die ganze Zeit wie ein Champion.
Das Fußballspiel verloren? Jedes Kind muss hin und wieder auch Rückschläge verkraften. Ist ein Kind gewöhnt, von den Eltern für seine Erfolge gelobt zu werden, dann ist ein Fehlschlag besonders schlimm. Lobt man dagegen unabhängig vom Ergebnis die Mühe, die es sich gegeben hat, beginnt es den Weg zum Ziel mit neuem Mut.
8. Nimm dein Lob nicht zurück
„Gut hast du deine Spielsachen aufgeräumt. Aber warum musste ich es so oft sagen?“ Psychologen nennen das „ein Lob verderben“ und wir mögen es alle nicht. Es ist, als ob man ein Geschenk bekommt, das einem sofort wieder aus der Hand gerissen wird. Das lehrt Kinder, keinem Kompliment zu trauen.
9. Indirektes Lob
Indirektes Lob ist meine Lieblingsmethode zur Bestärkung von gewünschtem Verhalten.
Was ist indirektes Lob? Indirektes Lob bedeutet, zu einer anderen Person positive Dinge über sein Kind zu sagen, und zwar so, dass es das Kind hört. Das funktioniert so gut, weil wir alle (Kinder und Erwachsene) eher dazu neigen, Dinge zu glauben, wenn wir sie zufällig mit anhören, als wenn wir direkt angesprochen werden. Indirektes Lob ist fünfmal so wirkungsvoll wie direkt ausgesprochenes Lob. (Aber Vorsicht: auch indirekte Kritik hat eine fünfmal stärkere Wirkung!)
Wenn beispielsweise eine Freundin zu dir sagt „Du siehst gut aus“, tust du es möglicherweise als höfliche Bemerkung ab. Wenn du aber zufällig mit anhörst, wie deine Freundin diese Aussage über dich gegenüber einer anderen Person macht, lächelst du wahrscheinlich und nimmst es ernst.
Wir neigen an sich schon dazu, Dinge zu glauben, die wir zufällig mithören, aber wenn diese Dinge auch noch wie ein Geheimnis geflüstert werden, glauben wir sie umso mehr.
Lasse dein Kind mithören, wie du es lobst indem du laut flüsterst. Wenn das Kind in der Nähe ist, lobe es flüsternd, während du dich mit jemand anderem unterhält. Man kann das Lob einer Person zuflüstern, oder auch einer Puppe. Blinzle dabei deinem Kind nicht zu und schaue nicht direkt in seine Richtung. Indirektes Lob funktioniert nur, wenn das Kind denkt, dass es das Lob nicht hören soll.
Hebe beispielsweise die Hand an den Mund und flüstere laut den Vögeln vor dem Fenster zu, wie toll dein Kind sein Mittagessen aufgegessen hat. Wende dich dann wieder deinem Kind zu, tu als ob nichts gewesen sei, und lobe es in abgeschwächter Form: „Gut gegessen, Schatz!“ Auch wenn das Kind anfangs nicht alles versteht was du sagt, wird es sich durch den bewundernden Tonfall wertgeschätzt fühlen. – Dr Harvey Karp
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